Schlaf bringt Ruhe

Als ich noch nicht mal ein halbes Jahr hier in Craheim war, wurde ich krank.

Nach anfänglich leichten Halsschmerzen war ich dann wochenlang extrem schwach. Nichts sonst. Als hätte einfach jemand die Schwerkraft auf 400% hochgedreht. Fünf Wochen lang lag ich erschöpft auf dem Sofa und wartete darauf, dass der vermeintliche Virus, den mir die Ärzte diagnostiziert hatten, endlich mit mir fertig würde. Da aber weder mein Blutbild noch mein EKG die Virus-Theorie unterstützten, war der Arzt nach den fünf Wochen doch unzufrieden. „Haben Sie Stress, Frau Lehmann? Stehen Sie unter emotionalem Druck?“ „Überhaupt nicht“, war meine ehrliche und wahre Antwort. „Das ist seltsam, denn Ihre Symptome lassen sich eigentlich nur mit dem Stressbedingtem Erschöpfungssyndrom erklären. Ich verschreibe Ihnen da mal was. Das gibt Ihnen Energie für tägliche Aufgaben. “

Und er verschrieb mir ein leichtes Psychopharmakon.

Ich war ziemlich geschockt. Erstens, weil Antidepressiva heutzutage anscheinend derart lapidar verordnet werden, ohne über therapeutische Ansätze zu sprechen, und zweitens, weil ich als Coach in Sachen Burnout schließlich vom Fach bin und doch wohl selber wissen sollte, ob ich am Ausbrennen bin oder nicht.

Kaffeetasse und ein gutes Buch zum Lesen

Nach dem ersten Schreck, ein paar Stunden emotionaler Grübelei und einigen Gesprächen wurde mir klar, dass es sich um eine Art nachträgliches Ausbrennen handelte. Hier in Craheim, an einem Ort, der seit Jahrzehnten dem Loslassen, Aufatmen und Leben gewidmet ist, hatte ich endlich Zeit und Freiraum, um das nachzuholen, was in den knapp elf Jahren zuvor kaum möglich gewesen war: Auftanken – ohne Schuldgefühle. Diese Schuldgefühle waren einer der größten Knackpunkte in meinem darauffolgenden Prozess mit Gott. Und seitdem denke ich viel darüber nach, wie viel Wert Gott der Ruhe gibt. Dabei sind mir drei in der Bibel erwähnte Ruhetage besonders ins Auge gefallen: Der erste Sabbat, den die junge Schöpfung erlebt, ist der erste Tag überhaupt für die Menschheit. Gerade erst erschaffen und ohne auch nur einen Finger krumm machen zu müssen, erlebt Adam als allererstes einen Ruhetag mit Gott im Paradies. Das zeigt mir ganz klar Gottes Priorität: Ich bin für Beziehung mit ihm geschaffen. Arbeit, Dienst und Berufung ist dem nachgestellt. Später verankert Gott die Bedeutung des Sabbats in seinen Geboten: Halte ihn heilig! (2. Mose 20, 8) Er soll uns kostbar sein und anders als alle anderen Tage der Woche. Und in jüdischer Tradition beginnt er am Abend und somit zuallererst mit Schlafen, mit Ausruhen.

Was passiert, wenn Israel dieses Gebot nicht einhält? Sie werden verstreut unter den Heiden, damit das Land seine Ruhe bekommt (3. Mose 26, 34). Ein nachträgliches Auftanken, wie bei mir.

Der dritte Sabbat, der mir aufgefallen ist, ist der nach Jesu Kreuzigung. Während Jesus ins Reich des Todes hinabsteigt und den Tod für uns besiegt, dürfen wir ausruhen. Was für eine Gnade ist das? Meine Errettung geschieht an meinem freien Tag! So viel Wert gibt Gott der Ruhe: Sie ist das Erste, was wir in Ihm erleben. Sie wird uns sogar nachgetragen, wenn wir sie nicht einhalten konnten, und während wir sie genießen dürfen, bereitet Gott den Weg, dass wir sie immer wieder bei ihm finden können. Ohne Schuldgefühle. Als Geschenk, das uns kostbar sein soll.

Vielleicht braucht es manchmal einen besonderen Ort, der ganz offiziell dem Ausruhen bei Gott geweiht ist. Und vielleicht braucht es manchmal eine bewusste Entscheidung, den Schuldgefühlen keinen Raum mehr zu geben. Ganz sicher braucht es aber vor allem eines: Gottes Geschenk der Ruhe dankbar anzunehmen und heilig zu halten. Denn darauf hat Gott seinen Segen gelegt… und dann kümmert er sich auch um den ganzen Rest.

Wenn Sie das gerade lesen, aber heute keinen Ruhetag einlegen können, dann gönnen Sie sich einen kleinen Moment des Innehaltens und Ruhens in Gott. Augen schließen, tief durchatmen und das Geschenk Seiner Ruhe dankbar annehmen…

Dorothea Lehmann Mitarbeiterin auf Schloss Craheim

Eure

Dorothea Lehmann